München, 06.03.2017 ∙ "Nach jahrelangem Dornröschenschlaf kam er im Oktober doch ziemlich unerwartet, der Referentenentwurf zur neuen Approbationsordnung für Zahnärzte" so leitet Professor Dr. Michael Walter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) sein Editorial in der Deutschen Zahnärztlichen Zeitschrift (DZZ, 2017;72 (1) ein.
Allerdings hat die DGZMK offensichtlich keine 100 Jahre gebraucht, um – wie wachgeküsst – ihre alte Forderung, die Zahnheilkunde in viele kleine Teilgebiete aufzusplittern, aus der Mottenkiste zu holen.
War es vor 8 Jahren der Bologna Prozess, so benutzt sie aktuell die geplante Novellierung der Approbationsordnung als wohlfeiles Deckmäntelchen. In der Kriminologie nennt man das Trittbrettfahrerei! Unverhohlen zündet Professor Walter in diesem Leitartikel eine Nebelkerze, um auszuloten, was vielleicht doch noch machbar ist. Als Aufhänger dient die vom Gesetzgeber geforderte Kostenneutralität bei der Umsetzung der neuen Approbationsordnung. Um dem Leser zu suggerieren, die Aufsplitterung unseres Berufsstandes sei quasi alternativlos, wenn die Zahnmedizin sich, wie vom Wissenschaftsrat mehrfach eingefordert, der Humanmedizin annähern wolle, schreckt er auch vor abwegigen Vergleichen nicht zurück. Geflissentlich unter den Tisch fallen lässt er, dass viele Hochschullehrer ihrem Dienstauftrag schon seit Jahren nicht mehr vollumfänglich nachkommen, sondern stattdessen große Teile der Lehre in die postuniversitäre Zeit verlagern, in Kurse also, in denen gegen Geld und Sitzfleisch endlich das Wissen vermittelt werden soll, für das während des regulären Studiums angeblich keine Zeit sei. Welch eine ungeheuerliche Verschwendung von Steuergeldern für einen der teuersten Studiengänge überhaupt.
Ist Zahnheilkunde mit humanmedizinischen Fachbereichen vergleichbar? Zahnheilkunde ist sicherlich keines der großen medizinischen Fächer, wie sie beispielsweise durch die Chirurgie und die Innere repräsentiert werden, aber vor kleineren Fächern wie beispielsweise Ophthalmologie, HNO oder Dermatologie braucht sie sich nun wirklich nicht zu verstecken. Und diese haben gleich viele oder sogar weniger Fachärzte als wir und auch keine Master. Ein Master für Kurzsichtigkeit ist für Augenärzte vielmehr unvorstellbar. Allgemeinzahnärzte sind bereits spezialisiert. Mit Blick auf ihr Leistungsspektrum sind sie quasi Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Das humanmedizinische Facharztsystem ist in also in keiner Weise übertragbar. "Spezialisierungen innerhalb der Zahnheilkunde sind nicht notwendig und werden die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung auch nicht verbessern, sondern lediglich verteuern", sagt der Präsident des Berufsverbands der Allgemeinzahnärzte in Deutschland (BVAZ), Dr. Andreas Bien. "Weitere Spezialisierungen innerhalb der Zahnheilkunde sind mit uns nicht zu machen", so der Allgemeinzahnarzt aus Herzogenrath.
"Die Zahnmedizin wird medizinischer und komplexer … es müssen vermehrt wissenschaftliche Themen vermittelt werden. … ist es wichtig, sich klarzumachen, was ein fünfjähriges Studium leisten kann und was nicht", schreibt Professor Walter in seinem Leitartikel. Wie sieht es denn mit der wissenschaftlichen Forschung an den Hochschulen aus, die neben der Lehre die eigentliche Aufgabe der Hochschule ist, und deren Effizienzsteigerung der Wissenschaftsrat wesentlich dringlicher einfordert? Sich auch mal an die eigene Nase zu fassen, hat schließlich noch niemandem geschadet. "Für die Bereitstellung entsprechender Mittel sollte sich Professor Walter starkmachen, anstatt – die Eurozeichen im Auge – über die postgraduäre Fort- und Fachzahnarztweiterbildung zu schwadronieren“, fordert BVAZ-Präsident Bien. "Ein Einserabiturient, der sich 5 Jahre im Wesentlichen auf das Studium der Ophthalmologie konzentrieren würde, wäre am Ende mit Sicherheit ein berufsfertiger Augenarzt."
Die Angst, sein Ziel nicht zu erreichen, lässt Walter dann zur Eile mahnen: Die Vertreter der Zahnmedizin mögen doch bitte rasch handeln, ehe es zu spät sei, denn wer zu spät komme, den bestrafe schließlich das Leben. "Offenbar sieht", so die Analyse des BVAZ-Präsidenten Bien, "Professor Walter die Novellierung der Approbationsordnung als vorläufig letzte Möglichkeit, den Traum der Hochschule von der postgraduierten Geldmaschine von der zahnärztlichen Öffentlichkeit unbemerkt zu realisieren". Sein substanzloses Versprechen, die Interessen der Allgemeinzahnärzte dabei gebührend zu berücksichtigen, sei durchsichtig und nicht geeignet, die eigentliche Intention zu verbergen.
Die im BVAZ organisierten Zahnärzte haben in der Vergangenheit umfangreiche Vorschläge für ein praxisbezogenes und finanzierbares Zahnmedizinstudium vorgelegt, zuletzt im Rahmen der Anhörung zum Referentenentwurf der Approbationsnovelle. Die Kernforderung das BVAZ bleibt bestehen: Das Studium muss berufsfertige Zahnärzte ausbilden, die durch ihre Approbation zur uneingeschränkten Berufsausübung befähigt sind. Die Universitäten täten gut daran, ihren mit Pensionsanspruch dotierten Ausbildungsauftrag wieder vollumfänglich zu erfüllen, anstatt ihr Ziel darin zu sehen, über unnötige postgraduiert weitergebildete Fachzahnärzte und Master Nebeneinkünfte zu generieren.